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Dienstag, 24. März 2020

Eng-Land anders








“See what you`re part of!”


Ein paar Wochen – und das Gleiche wird anders. Eng-Land ist nun überall. Nicht mehr ich habe Eng-Land aufgesucht, sondern Eng-Land mich. Die grosse Freiheit des Reisens ist sehr eng geworden. Ich bin an einem Platz, wie ich sie liebe. Eigentlich. Sonst.
Allein und ungestört am Canal du Midi. Mit Weitsicht. Auf die eine Seite schauend erahnt man am Ende der Fläche das Meer, auf der andern sieht man über Rebenfelder hinweg auf einen langgezogenen Hügel. Die Sonne wärmt, und es riecht nach Frühling. Eigentlich. Das Dorf in der Nähe ist so, wie man ein Dorf hier erwartet: Im Zentrum ältere Häuser, eine zu grosse zitadellenartige Kirche und ein Dorfplatz mit ein paar Bäumen und genügend Tischen vor den zwei Bistros. Aber keine Menschen. Ein Mädchen schlüpft von einer Haustür in die nächste, ein 17-Jähriger sitzt etwas versteckt an eine Hauswand angelehnt auf seinem Moped und starrt auf sein Handy, und ein alter Mann schlendert in Hausschuhen durch eine Gasse.
Manchmal trägt der Wind vom Dorf her Lautsprecherdurchsagen zu mir herüber. Sie erinnern mich an die Gemüse- und Früchtehändler, die mit ihren Lieferwagen langsam durch die Dörfer fahren. Andernorts. Auf dem Fussweg dem Kanal entlang habe ich wenige Begegnungen, und diese verlaufen ganz nach englischem Muster mit einem freundlichen Grüssen. Mehr nicht. Dafür mit einem gedachten „So, du bist auch unterwegs“. „Social distancing“ – ich fühle mich einige Wochen zurückversetzt nach Eng-Land. Dort beherrschen sie das Social distancing auch ohne Lautsprecherdurchsage. Wir müssen jetzt lernen voneinander und miteinander, werden wir aufgefordert.
Ich lerne zum Beispiel allein zu sein. Etwas, von dem ich glaubte, ich könne es sehr gut. Etwas, das ich geschätzt und immer wieder gesucht habe. Doch jetzt, wo keine andere Möglichkeit besteht, wo ich es nicht von mir aus wähle, ist es entschieden anders. Wirklich anders. Es ist die Wirklichkeit. Es ist nicht mehr (nur) die Erfüllung des Wunsches, mit einem gut ausgerüsteten Wohnwagen und einer Kreditkarte in der Tasche andere Länder und andere Wirklichkeiten anzupeilen.  Der Spass-Faktor ist auf der Strecke geblieben. Irgendwo zwischen Spanien und Frankreich. Eng-Land ist anders geworden.
Der Alltag? – Am Morgen Kaffee und Zigarette. Zuerst im Bett, dann am Tisch, dann in der geöffneten Tür an der Sonne. Tagsüber lesen (wenig), dösen (viel), nachdenken (worüber eigentlich?), das Handy streicheln (sehr viel), den Hund streicheln (weil er`s verdient), spazieren gehen (mit der ausgefüllten Attestation de déplacement - "aux besoins des animaux de compagnie"), Essen zubereiten (zwischen Gemüseeintopf und Büchsen-Ravioli – warum ist mir das Fleisch verleidet?) und schlafen (viel).
Gestern die spontane Idee: Zur Abwechslung die vier Wände, die sogenannten, von aussen anschauen. Hier das Resultat: