Seiten

Montag, 17. Januar 2022

Von Mexiko nach Kreta


 

 

 

 

Das sind 1`700km, inkl. Fähre

 

“Mexiko“ heisst das Lokal in Izmir, wo ich um mein Geld erleichtert wurde. Mein Betreuer hiess Bariş. Er konnte einigermassen Englisch, und die Tatsache, dass ihm die Hälfte der Zähne fehlte, war zumindest fürs „th“ kein Nchteil. Ich erinnere mich an Situationen, die mir im Nachhinein lustig erscheinen. Sein gesäuseltes „You are a good man, I love you“ oder „I will visit you in Switzerland“. Oder gar: “I can bring you a beautiful woman, very young, but you must be nice with her”. (“Wenn der Preis nicht überrissen ist…”, denke ich erst jetzt.) Oft klagte er bei mir, der auserkorenen Melkkuh, über das schlecht laufende Geschäft, was wohl nicht gespielt war, sondern seine Position innerhalb des Clans aufzeigte. Ja, er tat mir irgendwie leid. („I love you, too!“…)

Ich hetzte also den Chevi mit seinen 340PS zur Grenze, wo ich mich erst mal erleichtert fühlte. Die Erleichterung war aber von kurzer Dauer. Der Bildschirm am türkischen Zoll tat kund, dass ich unterwegs vom Radar geblitzt worden war. Die Busse, die zu entrichten war, überstieg die Summe des wenigen mir verbliebenen Bargeldes. Bezahlen, sonst nicht weiter! Zurück bringt nichts, da die Bankkarte nichts mehr hergibt. Im Chefbüro löste meine Geschichte ein müdes Achselzucken aus. Dass mir ein schon zuvor avisierter lieber Freund ein Notgeld nach Griechenland überwiesen hatte, führte bloss zum nächsten Achselzucken. Kein Geld, kein Weiterfahren. Grundsätzlich bin ich nie weihnächtlich gestimmt, und an diesem 24. Dezember auf türkischem Zollgelände schon gar nicht, aber den Heiligen Abend hier, mehr geduldet als frohlockend, unter Scheinwerferlicht zu verbringen, war eine besondere Art von Besinnlichkeit. Eine Flasche Wein hatte ich dabei und die Wahl zwischen Knabberzeug und einer Notbüchse Ravioli. Vom zolleigenen Minarett jaulte der Lautsprecher grenzpropagandamässig überlaut etwas von einem andern Gott, während ich Maria und Joseph, den Stall, den Esel, den Ochsen und das Kripplein mit dem holden Knaben vor Augen hatte. 

 

Am nächsten Tag liess man mich nach Griechenland ausreisen – ohne Auto. Jemand nahm mich mit. Drüben Geld organisieren, einen Cappuccino trinken und mit dem Taxi zurück zur türkischen Bussenzahlstelle. Danach Fahrt frei! Wieder zum griechischen Zoll, dieses Mal mit Hund und Wagen. „Ihr Covid-Test ist 25 Stunden alt, eine Stunde zuviel!“  Zurück in die Türkei? Und dort…? Nein, man liess mich passieren.

Nach 40km empfängt mich Alexandroupolis in weihnächtlichem Glanz. In einem Supermarkt kann man (für Geld) Wein kaufen. Und Lammkoteletts und Kartoffeln. Am Meer finde ich einen Standplatz.

 

An einer Tankstelle kann man (für Geld) Benzin kaufen. Es regnet. 800km sind es nach Piräus zur Fähre. Man kann (für Geld) die Autobahn benützen, so dass man die griechischen Gebirgszüge nicht überqueren muss. Kreta, wir kommen!

Ich fahre direkt zu Dorice. Ein bisschen Rockzipfel wird gut tun. Der für uns zur Tradition gewordene Roquefort und Parmaschinken steht bereit. Ich backe einen Zopf. Wir reden, lachen, essen, trinken. Und wärmen uns am Kaminfeuer. Nach diesem Kuraufenthalt suche ich einen Stellplatz in der Nähe. Er ist schwer zugänglich fürs rollende Haus und wunderschön. Dann kommt der Regen. Tagelang und sintflutartig. Der steile Zufahrtsweg ist voller Schlamm und heruntergefallener Steine. Ausharren. Kartoffeln, Spaghetti, Reis. Reis, Kartoffeln, Spaghetti. Das Notfall-Milchpulver kommt zum Einsatz. Alles gut.

 

Nach einer Woche ist es überstanden. Blauer Himmel, die Sonne scheint um Viertel nach acht auf die Bettdecke. Zu Fuss geht`s zum nächsten Küstenort (Kartoffeln, Reis und Spaghetti nachkaufen…). Auf dem Weg ein Schwatz mit Vassili. Good friend, no girls, aber guter Käse vom Bergdorf und Ziegen hier unten. Fixpunkte im Tagesprogramm sind jetzt: Kaffee in der Morgensonne und eine Stunde den Zufahrtsweg befahrbar machen. Vielleicht werde ich ja eines Tages weiterziehen.