In erträglichen Schritten nach Hause: Bosnien, Kroatien, Slowenien, Italien, Schweiz
Bosnien ist schön (Berge und weite Landschaften), Kroatien ist schön (im Landesinnern, nicht an dem Küstenklassiker), Slowenien ist schön (mit Wäldern, und gepflegt wie Österreich), Italien, bzw. Oberitalien ist hässlich (ein grosser Verkehrs- und Industriegarten – wenn man soviel Landschaftsschutz betrieben hätte wie man Verkehrskreisel und charakterlose Gebäude gebaut hat…), und die Schweiz ist beschaulich und überschaulich (endlich wieder das Gefühl von Beschaulichkeit!).
Genug Italien, die geplanten Etappen auf Nebenstrassen erweitere ich um die doppelten Kilometer, mit dem Ziel (Weg und Ziel erhalten die Bedeutung „weg und Ziel“) einen kühlenden Schweizer Pass zu erreichen. Es wird nicht irgendeiner, sondern das Paradestück, das Symbol für Menschenwerk von damals und heute, nämlich der Gotthardpass. Es gibt sie immer noch, die alte Pflastersteinstrasse, Tremola genannt, die sich in engen Schlingen zum Hospiz hinauf windet. Hier dürfen zu Recht ein paar Schweizer Fähnchen wehen. Sie sind im Verhältnis zu den türkischen in der Türkei, den griechischen in Griechenland und den serbischen in Serbien in bescheidenem (Schweizer) Mass verteilt. Bescheidenheit gilt ja bei uns als Tugend, was natürlich paradox ist. Wie oft habe ich in den bereisten Ländern wirkliche Bescheidenheit angetroffen. Schicksalsgegebene zwar, aber nicht nur, denn wer wenig hat, ist mit weniger zufrieden. Dies mag eine salopp formulierte Betrachtung sein. Es gab auch Situationen, wo ich an die „hohe Bescheidenheit“ in der Schweiz denken musste. Was wird für ein schwer autistisches Kind in Armenien getan? Nichts, gar nichts. Was wird in Rumänien mit einem Menschen mit psychischen Problemen getan? Nichts, ausser der Verabreichung von Tabletten mit ernsthaften Nebenfolgen. Was tun, wenn der Hund vergiftet wird? Nichts, denn es gibt im Umkreis von 200km keinen Tierarzt. (Ist übrigens nicht meinem Hund widerfahren.) Jedenfalls: Wenn ich Diktator der Schweiz wäre, müssten alle CH-Bürger eine obligatorische Zeit in einem Land mit bescheidener Lebensqualität verbringen. Einfach dort leben, einfach herumschauen, natürlich nicht in Touristen-Spots. Könnte auch von der Schweiz bezahlt sein, wie die Verrichtung des Militärdienstes oder das Beziehen eines Mutter- oder Vaterschaftsurlaubes oder das der gesetzlich vorgeschriebenen Ferien. Einfach eine andere Art von Bereicherung…
Die klare Kühle der Alpenluft führt mich zu einer Schlussbetrachtung, und zwar zu einer eher nüchternen, einer zahlenmässigen. Ich lasse mir alle Übernachtungsplätze dieser fast einjährigen Reise durch den Kopf gehen. Nicht nur nüchtern, da ist viel Gefühl dabei. Immer im selben Häuschen, und immer ist der Blick durchs Fenster ein anderer.
89 Übernachtungsplätze insgesamt
1 davon in einem Haus (1 Monat bei armenischer Gastfamilie)
2 davon auf Fähre (nach und von Kreta)
86 davon im Wohnwagen (für 1 Nacht oder für viel länger)
Und immer gab es reichlich Morgenkaffee.