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Donnerstag, 23. Februar 2023

"Im Wald und auf der Haide..."

 






„…da such` ich meine Freude“

 

Es sind schon einige Jahre, seit  ich nicht mehr in einer Wohnung lebe, sondern ausschliesslich im Wohnwagen. In einem zum Wohnen eingerichteten Transportanhänger, 4m lang, 1m90 breit, also auf knapp 8 Quadratmetern. Mit Bett, Tisch, Sofa(!), Küche und Stauraum. Geplant nach meinen Vorstellungen. Was brauche ich, was brauche ich nicht? Viele und grosse Fenster. Der Schlafplatz soll angenehm und einladend sein (auch da ein Fenster), der Tisch soll nicht zu klein sein, das Sofa als Luxus und weiterer Schlafplatz, die Küche soll für mehr taugen als nur zum Wärmen einer Ravioli-Büchse, und die verschiedenen Kisten mit all dem Krempel sollen den Weg nicht versperren. Trotz der räumlichen Begrenzung soll kein Gefühl der Enge entstehen. Und es funktioniert!  Ausdenken ist das Eine, Ausführen ist das Andere. Die Dankbarkeit für die, die das mit ihren handwerklichen Fähigkeiten für mich ausgeführt haben, spüre ich täglich.




Dankbarkeit empfinde ich auch dafür, dass ich mir dieses Leben auswählen konnte. Soll und darf ich mich (wie das viele ähnlich Lebende tun) als Nomade oder Aussteiger bezeichnen? Nein, ich bin ein Privilegierter aus einem Wohlstandsland, der sich das, auch wenn das Budget nicht riesig ist, leisten kann. Bin ich ein Nomade oder ein Aussteiger? – Nein, ein Reisender.

Dieses Leben und dieses Wohnen (anfangs im Wohnauflieger, seit einigen Jahren im beschriebenen Trailer) ist zum Alltagsleben und zur Normalität geworden. Das Nomadische mag insofern zutreffen, als ich überall, wo ich anhalte, zuhause bin.  Einen Platz finden, meist in der stillen Natur, den Anhänger richtig positionieren (steht er gerade, woher kommt die Sonne?), die Türe aufschliessen und die Aussicht begutachten. Und, auch wichtig, den Vorplatz (den Vorgarten!) mit dem bequemen Stuhl fürs Kaffeetrinken in Beschlag nehmen. Und wohnen! Die Essvorräte sind hier, die Pfannen sind dort, der Tisch steht, der Kühlschrank ist gefüllt, die Bilder sind aufgehängt und – nicht unwichtig, da ich den Kontakt zur „richtigen“ Welt haben möchte – das Mobiltelefon hat Empfang. Auch speziell muss die Europakarte an der Wand erwähnt werden, auf die ich so oft schaue. Auf der einen Seite zeigt sie alle Länder, auf der andern die geografische Übersicht. Meine zwei TV-Sender! Was symbolisiert sie sonst noch? Orientierung? Antrieb? Träume? Und wohl auch ein bisschen Bestätigung? Oder (pragmatisch und prahlerisch zugleich): Hier, auf dieser Karte, wohne ich.



Wow, der Typ ist überzeugt, da gibt es keine Zweifel! Freiheit und Abenteuer!

Ist es so? Möchte ich denn immer allein sein? Gerade mit dem „Zurück zur Natur“ habe ich wirklich wenige Kontakte. Reichen ein Hund und Selbstgespräche? Reicht ein Kaffee mit dem Besitzer der Weide? Reicht ein Smalltalk mit der Ticket-Frau des Fussballclubs? Reichen die Telefongespräche mit den Liebsten aus der Heimat? Wieder pragmatisch: sie müssen. Gefühlsmässiger gesagt: Nein. Seit drei Monaten bin ich Grossvater. Manchmal erhalte ich ein Video von der kleinen Enkelin, sehe sie strampeln und höre sie ihre Stimme ausprobieren. Das ist schön. Aber ich bin weit weg. Habe ich Freunde in der Schweiz? Ja, aber ich kann kein Bier trinken gehen mit ihnen am Abend. Ich trinke es allein, irgendwo in der Pampa. Doch gerade diese „Pampa“ im Irgendwo ist wie eine Lebensader. Die Abgeschiedenheit in der Natur (oder auch das On-the-road-Gefühl), das wärmere Wetter (es bestimmt die Reise massgeblich mit) und das häufige Alleinsein liegen mir. Suche ich. Das Finden des jeweiligen schönsten Platzes, sei es für zwei Tage oder für einen Monat, sei es in Frankreich, in Griechenland oder in der Türkei, in Spanien oder Portugal, in Georgien oder Armenien, ist Freude und Genugtuung. „Im Wald und auf der Haide…“




Eine andere Art des Reisens kann ich mir nicht vorstellen. Dabei spielt ein weiteres Privileg eine Rolle: Die Zeit ist unbeschränkt. Habe ich zum Beispiel Georgien als Ziel, ist die Frage nur, wie viel Zeit ich für diese 4`000km einplane. Acht Tage à 500km? Keinesfalls. Eher ein bis zwei Monate. Wie heisst der ausgeleierte Spruch? „Der Weg ist das Ziel“. Ich will jeden Kilometer er-fahren. Durch Österreich, durch Rumänien, durch die Türkei. Überall Plätze für einen Aufenthalt finden. Und: Plätze, wo Fussballspiele stattfinden! Wie ist Fussball in den verschiedenen Ländern? In Moldawien (Eintritt frei, wenige Zuschauer), in der Türkei (wo man sich erst mal einen Süperlig-Pass besorgen muss), in Armenien (wo ich in die ärmlich ausgestattete VIP-Lounge gebeten wurde, Pulverkaffee inklusive). Auch daher: Nicht überfliegen, sondern erfahren!

Auf der Haide und im Stadion

da fühl` ich mich am Leben schon

(Pardon!)