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Donnerstag, 17. August 2023

Der Zirkus rollt

 





 

Es ist heiss im Balkan. Es ist heiss in der Türkei. Das Ziel ist wieder einmal der Kaukasus. Es ist Sommer…

 

Für die genauere Routen-Planung bieten die papierenen (!!) Strassenkarten mehr Informationen als die digitalen Allesoberflächlichwisser. Wenn man sie lesen kann. Ich suche mir Routen aus, oft im Zickzack verlaufend, deren Tagesziel einigermassen in der Höhe liegt. Ziel: unter 30° ankommen und in der Nacht bei 20° schlafen.  Tagsüber beim Fahren bei gegen 40° säuselt die Klimaanlage. Die Wüstennomaden wissen ja auch, welche Knöpfe sie drücken müssen, um sich gegen Sonne und Hitze zu schützen.




Ein anderes Kriterium bei der Wahl der Route, oder eher eine genüssliche Folge davon, sind die Namen der Orte, an denen man vorbeikommt. In Yesildumlupinar zum Beispiel muss man doch einmal gewesen sein. Leider werden dort keine Herzchen-Kleber verkauft mit dem Aufdruck „I love Yesildumlupinar“. Auch „I love Thörl Maglern“ oder „I love Karawanken“ würde ich sofort als T-shirt-Aufdruck tragen. Der Name „Dimitrovgrad“ ist gleich mehrfach vergeben worden. Eines habe ich in Serbien passiert, ein weiteres in Bulgarien. Es gäbe auch noch eines 3000km weiter in Russland, wohl in der Heimat der Kosawanken-Tänzer.  Übrigens bedeutet „Karawankenblick“ nicht eine besondere Art des Sehens oder ein Augenleiden, es handelt sich um ein Hotel an der österreichisch-slowenischen Grenze. (Reisen bildet.)  Herausfinden möchte ich noch, ob es irgendwo (in Ecuador oder Burma?) ein zweites (kleines, unbedeutendes, nirgendwo verzeichnetes) Yesildumlupinar gibt (Reisen macht neugierig).

Den letzten Tag und Abend in der Schweiz verbringe ich auf einem grossen Platz, wo gerade ein Zirkus gastiert. Orchester, Nummerngirl und Zuckerwatte – Hündchen und Ponies statt Elefanten und Löwen.

Am nächsten Morgen über die Grenze, durch thrilling Österreich, nach Kärnten, genauer zum Bauernhof bei Thörl Maglern, wo wir früher die Familienferien verbracht haben, und wo ich auf einem Bänklein hinter dem Haus zum ersten Mal ein Mädchen (versuchsweise) geküsst habe. Sie hiess Monika, und sie lebe jetzt in Vorarlberg, habe ich in Erfahrung gebracht, nahe bei der Schweiz… Doch ich fahre weiter ostwärts, nicht zurück Richtung Monika, eben zu den Karawanken und durch deren Karawankentunnel nach Slowenien.

Es folgen Kroatien, Bosnien, Serbien und Bulgarien mit ihren Dimitrovs und ohne Monikas. Überall ist es heiss. Der Grenzübergang in die Türkei – immer ein bereicherndes Erlebnis – Studium der postosmanischen Verhaltensweisen. Die „Wie-kann-man-auch-so-und-wozu-denn-auch?“-Frage. Über lange Zeit weitergegebene Gene, weil man in einem früheren Leben zu lange und erfolglos anstehen musste? – Damals vor Wien?

Dann folgt in grossen Lettern „Hosgeldiniz“ – willkommen. Ab hier, nach dem Anstehen an der Grenze, sind sie sehr entspannt, die Postosmanen.




Auf der Suche nach einem höher gelegenen Platz für mehr als eine Nacht erreiche ich einen Wintersportort. Ein paar grosse Hotels (das alte, verkommene ist das schönste) mit dazugehörigem Parkplatz. Das Thermometer bleibt unter 30°. Das Billethäuschen des Sesselliftes ist geschlossen, der Samowar darin nicht in Betrieb. Ich lerne drei „internationale“ Türken kennen – einer arbeitet als Techniker in Deutschland, seine Schwester hat kürzlich Freunde in Zürich besucht, und der dritte war früher Fussballspieler in der türkischen Süper Lig.







Am nächsten Tag weiter durch die Hitze Richtung Osten, Richtung Georgien. Nicht direkt der Schwarzmeerküste entlang, sondern parallel dazu durch die Berge. Dies soll mir immerhin kühlere Übernachtungsplätze bescheren. Auf einem Pass auf 2300m Höhe finde ich mein Glück. Wie es so ist mit dem Glück, man will es nicht loslassen, also verbringe ich drei Tage in der selbstgewählten Einsamkeit. Und wieder weiter, die Landschaften geniessen, manchmal die Kilometer zählen, mal ein Stopp für ein Gösleme und ein Ayran, oder ein besonderes Detail entdecken.








Auf dem Weg über meinen Blog möchte ich einmal ganz besondere Grüsse senden, nämlich an die Gebrüder Weiss, die mich überall auf meinen Reisen begleiten.  



Auf einer Srecke, etwa 40km auf einer engen Bergstrasse mit Naturbelag, verzichten die Gebrüder W. allerdings auf die Begleitung. Und sie haben recht! Die Strasse mit ihren kantigen Steinen und den Haarnadelkurven ist eine Herausforderung. Einmal gibt es einen Erfrischungshalt. Der Wirt lebt alleine da und bietet Tee, Wasser, Snacks, Bohnen und Honig an. Nun, der Fahrer kommt heil unten an, aber zwei Reifen am Anhänger nicht. Im Tal in Caykara ist eines der ersten Häuser eine Reifenhandlung. Mit dem richtigen Angebot für Fahrer, die die Grenzen ihres Gefährtes nicht wahrhaben wollen… (Routenplanung, Karten richtig lesen!)